Interview zur Finanzpolitik mit Herrn Manfred Zöllmer von der SPD-Bundestagsfraktion

Anhaltende Niedrigzinspolitik, neue EU-Richtlinien, das Jedermann-Konto. In der finanzpolitischen Landschaft sorgten zuletzt diese Themen für Gesprächsstoff. Unsere Redaktion hat daher Führungspersonal aus Politik und Gesellschaftsvertretungen mit aktuellen Fragen konfrontiert und spannende Antworten erhalten. Heute äußert sich Manfred Zöllmer von der SPD-Bundestagsfraktion.

Manfred Zöllmer

Unser Interviewpartner:
Manfred Helmut Zöllmer

Position:
Stellvertretender finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Mitglied im Finanzausschuss des Bundestags, seit 2002 MdB im Deutschen Bundestag. Mitglied im Verwaltungsrat und des Haushaltskontroll- und Prüfungsausschusses, Personalkommission der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Qualifikation:
Nach dem Studium der Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft (Ökonomie) sowie der Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität in Bochum, 1. und 2. Staatsexamen 1976 und 1977 war er seit 1977 Lehrer im zweiten Bildungsweg am Bergischen Kolleg in Wuppertal Stellvertretender Schulleiter und Studiendirektor.

SPD - Die Grünen

BankenOnline.org: Sehr geehrter Herr Zöllmer, Sie sind nicht nur MdB im Deutschen Bundestag, sondern auch Mitglied im Finanzausschuss und stellvertretender finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Die Europäische Zentralbank wird ihre Niedrigzinspolitik wohl weiter fortsetzen. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage des Bankensystems in Europa?

Manfred Helmut Zöllmer: Das Bankensystem in Europa steht vor unglaublich großen Herausforderungen. Die Niedrigzinspolitik ist nur eine, daneben muss es sich die Folgen einer starken Regulierung und den Angriffen von FinTechs erwehren. Daneben haben wir es mit bedrohlichen Altlasten zu tun, z. B. bei der Deutschen Bank und länderspezifischen Altlasten wie in Italien.

Hinzu kommen Angriffe aus den USA auf Teile des Geschäftsmodells europäischer Banken. Ein positives Szenario sieht anders aus und ich fürchte, dass manche Bankmanager immer noch glauben, man könne so weiter machen wie bisher. Doch wir wissen: „Wer zu spät kommt, wird bestraft“.

BankenOnline.org: Welche Auswirkungen hat die anhaltende Niedrigzinspolitik aus Ihrer Sicht auf deutsche Verbraucher?

Manfred Helmut Zöllmer:Die aktuelle Niedrigzinspolitik schafft Gewinner und Verlierer. Gewinner sind alle diejenigen die Kredite aufnehmen, Verlierer, die nach einer vernünftigen Rendite für ihre Anlage suchen. Auch unter Einbeziehung der sehr niedrigen Inflationsrate, ist dies eine völlig neue, ungewohnte Situation, die vor einigen Jahren noch für völlig unmöglich gehalten wurde. Darunter leiden besonders diejenigen, die für ihre Alterssicherung Geld angelegt haben. Wir haben erhebliche Anstrengungen im Bundestag unternehmen müssen, um Lebensversicherungen zu stabilisieren. Renditenversprechen der Vergangenheit kamen massiv unter Druck.

BankenOnline.org: Wozu raten Sie Verbrauchern, wenn Geld- und Sparanlagen – verkürzt gesagt – entwertet werden, weil dafür keine Zinsen mehr gezahlt werden? Kommt der Sparstrumpf unter dem Kopfkissen wieder zum Einsatz?

Manfred Helmut Zöllmer: „Besser nicht“. Dazu kann man nicht raten. Negativzinsen werden ja nicht berechnet. Die Einlagensicherung garantiert ihre Einlage bis 100 000 Euro. Unter dem Kopfkissen gibt es keine Einlagensicherung. Wenn sie Pech haben, kann es so – etwas bei Einbruch – im Ernstfall auch einen Totalverlust geben.

BankenOnline.org: Die neue EU-Richtlinie zur Vergabe von Immobilienkrediten, die seit März 2016 auch in Deutschland umgesetzt wird, benachteiligt junge Familien und ältere Menschen. Diese Gruppen erhalten immer häufiger eine Ablehnung ihres Baudarlehens und werden damit sozial benachteiligt. Schließen Sie sich der Initiative einiger Landes-Finanzminister zur Entschärfung dieser Regelungen an?

Manfred Helmut Zöllmer: Bei der Umsetzung dieser Richtlinie ist Deutschland deutlich über das Ziel hinaus geschossen. Die Federführung lag beim Justiz- und Verbraucherschutzministerium. Wir brauchen dringend eine Korrektur, dies zeigt der starke Rückgang von Immobilienkrediten bei einzelnen Bankengruppen. Wie drängen mit allem Nachdruck auf eine gesetzliche Korrektur die diese Überregulierung zurücknimmt. Wir brauchen vernünftige Kreditvergabestandards nicht den Schutz des Verbrauchers vor sich selbst.

BankenOnline.org: Welche Position nehmen Sie und Ihre Partei zum Thema Bargeld ein? Was sind mögliche Szenarien einer Welt ohne Bargeld?

Manfred Helmut Zöllmer: Das Internet und das Smartphone verändern dramatisch unser Verhältnis zum Bargeld. Apple Pay ist bereits in einer Reihe von Ländern gestartet. Auch die Sparkassen haben bereits eine App für berührungsloses Zahlen entwickelt.

Die digitale Technik treibt uns weg von der Bargeldnutzung. In den USA werden Algorithmen für ein weltweites Handy zu Handy Bezahlsystem entwickelt. Trotzdem muss Bargeld auch in Zukunft eine wichtige Rolle beim Zahlungsverkehr spielen. Bargeld bedeutet Freiheit beim Bezahlen. Es werden keine Daten zentral gesammelt oder gespeichert, die ich nicht freiwillig herausgebe.

Unabhängig davon, muss es natürlich Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung geben. Das muss mit Augenmaß geschehen.

BankenOnline.org: Stichwort: Jedermann-Konten. Zwar kann seit Juni 2016 jeder ein sogenanntes Basiskonto bei Banken eröffnen, doch die Gebühren für derartige Guthabenkonten sind bei vielen Angeboten höher, als bei gewöhnlichen Girokonten. Zahlen damit nicht gerade die Schwächsten der Gesellschaft die höchsten Gebühren?

Manfred Helmut Zöllmer: Die gesetzliche Etablierung eines Basiskontos war ein wichtiger Schritt für viele Menschen Teilhabe am wirtschaftlichen Leben unserer Gesellschaft zu sichern. Ein Basiskonto darf keine höheren Gebühren haben als ein normales Girokonto. Wir müssen deshalb, noch einmal sehr genau nachschauen, wie sich die Gesetzgebung ausgewirkt hat und gegebenenfalls nachsteuern.

BankenOnline.org: Welche Rückmeldung zu finanzpolitischen Themen erhalten Sie von Ihren Wählern?

Manfred Helmut Zöllmer: Steuern und Finanzmarktregulierung sind nach wie vor große Aufregerthemen mit entsprechender Resonanz.

Die neuen Kommunikationsmedien ermöglichen natürlich jedem, der sich artikulieren möchte, den direkten Zugriff auf das Abgeordnetenbüro. Die Wünsche, Anregungen aber auch die Beschimpfungen sind sehr unterschiedlich. Banken und auch Versicherungen werden häufig für alles Böse in der Welt verantwortlich gemacht, da muss man sich sehr um eine sachgerechte Argumentation bemühen. Aber natürlich melden sich auch die großen und kleinen Lobbyverbände aber auch Betriebsräte der Unternehmen.

Ich nehme die Anregungen und Wünsche sehr ernst, denn es geht auch hier um Interessenausgleich und Finanzmarktstabilität.

BankenOnline.org: Angenommen die SPD bleibt auch ab 2017 weiter Regierungspartei – was wären die für Sie wichtigsten Reformen im Bereich der Finanzpolitik?

Manfred Helmut Zöllmer: Wir haben in der Vergangenheit weit über 40 Gesetze zur Finanzmarktregulierung beschlossen. Sie sind i. d. R. von hoher Komplexität und großer Regelungsdichte. Wir müssen die Wirkung und Wirksamkeit dieser Regulierungsgesetze in der nächsten Legislaturperiode analysieren, Überregulierungen abbauen und Regulierungslücken schließen.

Dies wird eine dauerhafte Aufgabe bleiben. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass unser wettbewerbsintensives und vielfältiges Bankensystem erhalten bleibt. Die Umsetzung des Proportionalitätsprinzip ist bisher noch nicht vernünftig gelungen.

Für die kleinen Institute brauchen wir deshalb eine „small and simple Banking Box“. Darüber hinaus müssen wir uns intensiv mit dem Thema Regulierung von Schattenbanken und FinTechs befassen.

BankenOnline.org: Sehr geehrter Herr Zöllmer, wir danken Ihnen für dieses Interview.