Interview zur Finanzpolitik mit Herrn Michael Schlecht von der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Anhaltende Niedrigzinspolitik, neue EU-Richtlinien, das Jedermann-Konto. In der finanzpolitischen Landschaft sorgten zuletzt diese Themen für Gesprächsstoff. Unsere Redaktion hat daher Führungspersonal aus Politik und Gesellschaftsvertretungen mit aktuellen Fragen konfrontiert und spannende Antworten erhalten. Heute äußert sich Michael Schlecht, der wirtschaftspolitische Sprecher von der Bundestagsfraktion DIE LINKE.

Michael Schlecht

Unser Interviewpartner:
Michael Schlecht

Position:
Wirtschaftspolitischer Sprecher für DIE LINKE. Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Energie. Seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages.

Qualifikation:
Studierter Volkswirt, ehemals Gewerkschaftssekretär

Die linke

BankenOnline.org: Sehr geehrter Herr Schlecht, Sie sind nicht nur MdB im Deutschen Bundestag, sondern auch Mitglied im Wirtschaftsausschuss und wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Die Europäische Zentralbank wird ihre Niedrigzinspolitik wohl weiter fortsetzen. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage des Bankensystems in Europa?

Michael Schlecht: Die Lage des europäischen Bankensystems ist weiterhin äußerst kritisch. Das liegt einerseits daran, dass sich Banken in der Vergangenheit in Größenordnungen verzockt haben. Aber andererseits auch daran, dass die ökonomische Situation in Europa sich seit der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2007 aufgrund einer verfehlten Krisenpolitik – Stichwort Kürzungsdiktate – der herrschenden Politik nicht nachhaltig verbessert hat. Bei höherer Arbeitslosigkeit und massiv gesenkten Löhnen für viele in Europa ist es kein Wunder, dass die Banken auf massenhaft faulen Krediten beispielsweise für Immobilien sitzen.

BankenOnline.org: Welche Auswirkungen hat die anhaltende Niedrigzinspolitik aus Ihrer Sicht auf deutsche Verbraucher?

Michael Schlecht: Die günstigen Zinsen haben es nicht wenigen Menschen in Deutschland ermöglicht, sich ihren Traum von Eigenheim zu erfüllen. Auf der anderen Seite stehen Millionen von Menschen, die auf ihr schwer erspartes Geld, nicht selten ihre Altersvorsorge, so gut wie keine Zinsen mehr bekommen. Doch letztlich greift diese Betrachtung zu kurz. Die Niedrigzinspolitik ist eine Reaktion der Europäischen Zentralbank auf die weiterhin angespannte wirtschaftliche Lage in der Eurozone. Sie hat damit versucht die wirtschaftliche Entwicklung wieder anzukurbeln. Damit war sie nur mäßig erfolgreich, da an anderen Stelle durch Merkel, Juncker und Co. die wirtschaftliche Entwicklung mit der Strangulierung der Binnennachfrage in vielen Ländern abgewürgt wurde. Verbraucher sind zumeist auch Erwerbstätige und als solche haben die meisten von der Niedrigzinspolitik profitiert, denn ohne die Niedrigzinspolitik sähe die Situation noch schlechter aus. Ohne die Austeritätspolitik und stattdessen mehr öffentliche Investitionen und höhere Löhne wäre diese extreme Niedrigzinsphase nicht nötig.

BankenOnline.org: Wozu raten Sie Verbrauchern, wenn Geld- und Sparanlagen – verkürzt gesagt – entwertet werden, weil dafür keine Zinsen mehr gezahlt werden? Kommt der Sparstrumpf unter dem Kopfkissen wieder zum Einsatz?

Michael Schlecht: Das muss jeder selbst entscheiden. Ich jedenfalls nehme lieber niedrige Zinsen in Kauf als durch irgendwelche „Finanzprodukte“ am Ende mein Gespartes ganz oder teilweise zu verlieren – da ist mir die Aussicht auf höhere Zinsen nicht wert. Zumal sich ja leider für viel zu viele in Deutschland die Frage gar nicht stellt, weil sie schlicht am Monatsende nichts zum Sparen haben.

BankenOnline.org: Die neue EU-Richtlinie zur Vergabe von Immobilienkrediten, die seit März 2016 auch in Deutschland umgesetzt wird, benachteiligt junge Familien und ältere Menschen. Diese Gruppen erhalten immer häufiger eine Ablehnung ihres Baudarlehens und werden damit sozial benachteiligt. Schließen Sie sich der Initiative einiger Landes-Finanzminister zur Entschärfung dieser Regelungen an?

Michael Schlecht: Die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht haben wir sehr kritisch begleitet. Wir hätten gern die Rechte der Verbraucher hier noch mehr gestärkt. Aktuell höre ich den lautesten Protest an der Umsetzung allerdings aus Richtung der Bank- und Baulobby, insofern bin ich da skeptisch, ob es am Ende tatsächlich auch um die Interessen der Verbraucher geht. Die Richtlinie wird, wie sie erwähnt haben, erst seit März dieses Jahres umgesetzt, wir sollten hier erst auf belastbare Zahlen warten, bevor wir hier wieder Änderungen vornehmen.

BankenOnline.org: Welche Position nehmen Sie und Ihre Partei zum Thema Bargeld ein? Was sind mögliche Szenarien einer Welt ohne Bargeld?

Michael Schlecht: Wir sind gegen die Abschaffung von Bargeld. Letztlich ist dies auch eine Stück individueller Freiheit, die wir schützen möchten.

BankenOnline.org: Stichwort: Jedermann-Konten. Zwar kann seit Juni 2016 jeder ein sogenanntes Basiskonto bei Banken eröffnen, doch die Gebühren für derartige Guthabenkonten sind bei vielen Angeboten höher, als bei gewöhnlichen Girokonten. Zahlen damit nicht gerade die Schwächsten der Gesellschaft die höchsten Gebühren?

Michael Schlecht: Die gesetzliche Verankerung eines Kontos für jeden war ein großes Anliegen von uns. Wir sind froh, dass dies endlich durchgesetzt wurde. Die schlechteren Konditionen dieser Konten, aber auch von überhöhten Dispozinsen allgemein, ist ein Thema an dem wir dran bleiben.

BankenOnline.org: Welche Rückmeldung zu finanzpolitischen Themen erhalten Sie von Ihren Wählern?

Michael Schlecht: Für die Leute, mit denen ich beispielsweise im Wahlkreis rede, ist die große Finanzpolitik weit weg. Für sie heißt Finanzpolitik meistens: reichen meine Finanzen am Ende des Monats noch oder nicht? Und habe ich ein finanzielles Polster für unvorhersehbare Ausgaben? Und natürlich regt die Leute es auf, wenn sie immer wieder von Zockerbanken hören müssen, die am Ende womöglich aus Steuergeldern gerettet werden sollen.

BankenOnline.org: Angenommen DIE LINKE wird 2017 Regierungspartei – was wären die für Sie wichtigsten Reformen im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik?

Michael Schlecht: Wir brauchen eine solidarische Finanz- und Wirtschaftspolitik, die die Schere zwischen Arm und Reich wieder schließt, die alle Menschen von gesellschaftlichen Wohlstand beteiligt und die den sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft vorantreibt. Dazu brauchen wir eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt– prekäre Beschäftigung muss der Vergangenheit angehören. Und wir brauchen massive öffentliche Investitionen in beispielsweise Bildung, Gesundheit und Infrastruktur.

BankenOnline.org: Sehr geehrter Herr Schlecht, wir danken Ihnen für dieses Interview.